In den letzten Wochen haben wir in Teil 1 und Teil 2 dieser Artikel Serie gelernt, wo der Yoga Trend steht und wo Yoga kleine Umwege geht. Hier geht es um die Yoga Revolution.

In diesem Artikel lernst du, wie und warum Trends die Basis der Evolution für uns als Menschen im Allgemeinen und der Yoga Revolution im Speziellen sind. Selbst wenn sie weit weg von der Wahrheit sind und einen großen, ungesunden Umweg bedeuten.

Die Herz-Kreislauf-Bewegung des 19. Jahrhunderts hat in Sachen Ernährung beispielsweise einen sehr großen Umweg gemacht. Das hat aber auch eine große Bewusstheit für gesunde, naturnahe Ernährung geschaffen. Und ganz nebenbei wurde der Fitness und Yoga Trend geboostet. 

 

Wettlauf um die Wahrheit

 

Jede Wissenschaft hat Richtungswechsel durchlaufen, welche die Weltanschauung der Menschheit Kopf gestellt haben. Denke nur an Kopernikus‘ Heliozentrisches Weltbild – die Sonne als Zentrum unseres Systems. Wir mussten in unserer Geschichte schon viele Irrtümer eingestehen. Sehr viele. Die Yoga Revolution ist davon nicht ausgenommen. 

Auch die Ernährungswissenschaften hat einige Umwege gemacht, um den heutigen Stand zu erreichen. Und trotz allem: Wir sind noch lange nicht weise und verstehen wenig vom Menschsein und der Welt. 

In den 1960er Jahren war das Bestreben groß, Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen. Amerika war erschüttert, als Präsident Eisenhower 1965 einen Herzinfarkt erlitt und schließlich 1969 an einem Herzversagen starb.

 

Ungesunde Konkurrenz: Das Fettlager und das Zuckerlager

Diesem Gesundheitsbewusstsein verdanken wir einer Ära der Zuckerverherrlichung, die bis ins Millenium anhielt, initiierte aber auch den Fitness Trend, der sich bis heute ungebremst hält und bestimmt auch noch den heutigen Yoga Studios zuspielt. Aber lass uns noch einmal einen Schritt zurück gehen, in das Amerika der 1960er:

Während die Hippies noch zu Love is All You Need summten, stritten zwei Parteien, das Fettlager und das Zuckerlager, um den Heiligen Gral der Herzgesundheit. 

Das Fettlager bewies seine These mit Studien, die Zusammenhänge ableiten ließen zwischen dem Verzehr von gesättigten Fetten, erhöhten Cholesterin und Herz-Arterien-Erkrankungen. Konkret untersucht wurden 22 Länder, wobei in den Ergebnissen nur jene sieben Länder auftauchten, deren Einwohner tatsächlich auf eine Verbindung von hohem Fettkonsum und hohen Herzerkrankungsraten schließen ließ.

Das Zuckerlager rund um John Yudkin untermauerte die Ergebnisse in den 1960ern mit Studien an Ratten, die durch süßes Futter stark an Gewicht zulegten und, wie er annahm, aufgrund von Adipositas mehr Risiko für Herzkrankheiten hatten. 1973 brachte er ein Buch mit dem Titel „Pure, White, and Deadly“ heraus, pur, weiß und tödlich.

 

“If only a small fraction of what we know about the effects of sugar were to be revealed in relation to any other material used as a food additive, that material would promptly be banned.”

 

Das Gegenteil war der Fall. Das Fettlager setzte sich durch und der Weg für fettarme Produkte frei gemacht.

 

In den 1980ern wurde gemeinsam mit den erfahrendsten Ernährungswissenschaftlern Amerikas Richtlinien herausgegeben, die eine Generation prägen sollten. Dieser Zeit verdanken wir alle unsere Light-Produkte, Margarine, gehärtete Fette und cholesterinarmer Ernährung mit maximal einem Ei pro Tag. Die Wissenschaftler, die diese Empfehlungen untermauerten, wurden bezahlt. Jene, die anderer Meinung waren, denunziert. Weil das Reduzieren des Fettes jedoch auch den Geschmack beeinflusste, musste ein Ersatz her. Das öffnete die Tore für Zucker in der Lebensindustrie.

 

Heute wissen wir, dass Zucker achtmal süchtiger macht als Kokain, dass Zucker den Hormonhaushalt ungünstig beeinflusst und dick machen kann (Hätten wir Yudkin damals schon geglaubt, wüssten wir es schon viel länger). Doch damals wurde Zucker gerade erst richtig in.

 

 

Es gab sogar Werbekampagnen (siehe diese Pinterest Pinwand), die Mütter darin unterrichtete, ihre Kinder mit gesunder Energie aus Zucker großzuziehen. Und darin waren sie gut: Die „Sugar Association“ erhielt 1976 den „Silver Anvil Award“ (den damaligen Oscars der PR-Welt) für „Exzellenz in der Formung der öffentlichen Meinung“. Das war wohl auch noch jene Zeit, in der es in Werbeagenturen zum guten Ton gehörte, zu Rauchen.

 

2009 trat der amerikanische Medizinprofessor Professor Dr. Lustig aufs Podium, und wies in einem Vortrag auf die Gefahren von Zucker hin. Er kam zu den selben Schlüssen wie Yudkin rund 30 Jahre vor ihm. Der einzige Unterschied war, dass wir die Folgen, vor denen damals gewarnt wurden, 2009 bereits eindeutig sahen.

 

Der Low-Fat / High-Sugar Trend der 70er und 80er Jahre war alles andere als gut für die Gesundheit und Energie der Menschen. Im Gegenteil. Die negativen Erfahrungen tausender Menschen mit Zucker haben viele von uns aber auch sehr bewusst für die Qualität unserer Nahrung gemacht. Ebendiese negativen Erfahrungen mit Übergewicht, Energieschwankungen und verfaulten Zähnen haben uns aber auch mehr denn je sensibilisiert für den Stellenwert von bewusster Ernährung. 

 

Der Anstoß für die Yoga Revolution

Nicht nur in Sachen Ernährung tat sich rund um Herz-Kreislauf-Gesundheit der 1960er einiges: US-amerikanischer Sportmediziner und US Airforce Major Kenneth H. Cooper brachte 1968 ein Buch mit dem Titel Aerobics heraus indem er untermauerte, dass Ausdauertraining Herz Kreislauf Erkrankungen vorbeugt. Es verbessere sogar die Gedächtnisleistung.

 

Modern machte diese These allerdings erst Jane Fonda. Mit Stulpen, hautengen Leggings und Stirnband machte sie Cardio Training zu Upbeat Musik In und brachte damit Schwung in die Fitnessbewegung. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es handle sich um eine moderne Hip Hop Yoga Stunde. 

 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Jane Fonda öffnete Tür und Tor für neue Bewegungstrends, die vor allem auch Frauen ansprachen. Sie machte Bewegung sexy. Vorher besuchten vor allem Männer die Fitness Studios und „Take Massive Action“-Bodybuilding war Programm. 1913 hat Preußens erste Medizinprofessorin, hatte Rahel Hirsch, das Buch Die Körperkultur der Frau in Wien veröffentlicht und trat sportliche Ertüchtigung von Frauen ein. Eine Idee, die zu dieser Zeit wie gesagt noch relativ jung war. Hirsch schreibt: „Darum sollte der Mann die Frauenbewegung nicht hemmen, sondern vielmehr sie zu fördern bestrebt sein.“¹ Der Einsatz für die Gleichberechtigung von Mann und Frau focht damit auf allen Ebenen von Beruf über bis zum Lifestyle.

Natürlich gab es auch schon vor Fonda Gymnastik für Frauen, sie war nur noch nicht so medienwirksam. Sogar Trends, die viel mehr Yoga in sich trugen als der Name vermuten ließ. 

 

Harmonische Gymnastik: Die kleine Asana-Schwester von Yoga

Die Harmonische Gymnastik der 19. Jahrhundertwende hat wahrscheinlich viel zum Yoga als Bewegungstrend beigetragen. Die Posen ähneln denen aus dem Yoga sehr stark. Atem, Stimme und vereinzelt sogar esoterische Elemente zählten je nach Lehrer ebenfalls zum Programm. Das hat einen einfachen Grund: Yoga und Harmonische Gymnastik haben sehr viel aus der Ling Gymnastik und anderen Bewegungstrends des 19. und 20. Jahrhunderts übernommen. Und wer Pehr Henrik Ling alles inspirierte… man weiß es nicht so genau.

 

 

Die Yoga Revolution auf dem Prüfstand

 

Wie die ganze Artikelserie zeigt, werden Trends eben ständig entwickelt und weiterentwickelt.

 

Der Zeitgeist prägt Überlieferungen. Die Frage ist niemals ob er es tut, sondern bloß in welchem Ausmaß die Traditionen angepasst werden. 

 

Es wird geborgt, geteilt, neu zusammengefügt… das passiert schon seit Jahrhunderten so. In allen Fällen lernen wir früher oder später daraus, so wie in der Fett-Zucker-Debatte. Die Frage ist nur, wie viele Zähne wir lassen, bis wir es endlich gelernt und erfahren haben. 

 

Unterm Strich wollen alle Trends eines: Uns individuell zu erfolgreicheren und vitaleren Menschen machen und kollektiv stärken.

 

Yoga bildet hier keine Ausnahme. Nur, was heißt das konkret. Jeder interpretiert den Weg und das Resultat eines lebenswerten, erfolgreichen Daseins anders. Die einen Menschen kommen mit ihrem Leben bestens zurecht, die anderen straucheln mehr oder weniger. Doch wir alle müssen unseren Kurs früher oder später fein justieren.

 

Yoga Revolution: Diese Veränderung ist die einzige Konstante. Das nennt man Entwicklung. Alles andere wäre ein Rückschritt.

 

Trends unterstützen uns dabei, neue Sichtweisen zu gewinnen. Die alten Überlieferungen ebenso wie jüngere Trends und wissenschaftliche Erkenntnisse. Warum auch nicht? Wir haben es seit Jahrhunderten so gehandhabt.

Bis wir die einzige Wahrheit erfahren haben (die Yogis würden das Erleuchtung nennen, die Alchemisten sprächen vom Stein der Weisen und Indiana Jones vom Heiligen Gral) müssen wir eben mit dem arbeiten, was wir haben. Und gönnen uns hoffentlich neben dem nötigen Eifer auch jede Menge unvergesslicher Erfahrungen dabei. 

 

Wenn du  als Erstes über Neuigkeiten von Yoga Myth Busters erfahren willst und Lust auf Behind the Scenes Einblicke, klicke hier! 

 

Du kannst natürlich auch direkt weiterlesen: Dies war der zweite Bericht der dreiteiligen Myth Busters Serie zum Yoga Trend. Teil 1 handelt vom Yoga Boom und beantwortet die Frage, in welche Richtung der Trend geht. Teil 2 handelt von schrägen Yoga Trends und bespricht die Berechtigung von Bier Yoga. Teil 3 geht tiefer auf die Frage ein, ob und wie Trends die Evolution begünstigen könnten. 

Yoga Trend: Ist der Zug schon abgefahren?

Bier Yoga und andere schräge Yoga Trends

Trends, die ihr Fett wegbekommen haben und andere Stolperstufen am Weg der Yoga Revolution

Was ist Yoga? – mit Verweisen zu alten Überlieferungen und Jean Claude van Damme

 

 

¹ Eva-Bettina Bröcker: Frau Doktor – und was dann? In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23, 2004, S. 589–592; hier: S. 589 f.