Als das römische Reich seine beste Zeit schon hinter sich hatte und Attila der Hunnenkönig zahlreiche Kriegszüge in Mitteleuropa anführte, griffen Gelehrte die Lehren der Veden und des Yoga Sutra auf, und interpretierten sie neu.

Dies ist die Wiege von Tantra und Hatha Yoga.

Wie wir in der Yoga Revolution schon gelernt haben, ist das Neuinterpretieren von Neuinterpreationen keine Seltenheit. Es passiert in jeder Generation, mehr oder weniger stark ausgeprägt und offensichtlich.

 

Ich habe überhaupt keine Hoffnung mehr in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich und entsetzlich anzusehen. ~ Aristoteles

 

Hier steckt wohl auch ein Grund für die Behauptung, dass „früher alles besser war“. Denn schon Aristoteles hatte keine Hoffnung für die Jugend von Morgen. Er hatte wohl auch nicht ganz unrecht. Die Antike hatte bereits glanzvollere Zeiten erlebt und schien jahrzehntelanger Eitelkeit und Völlerei erlegen. Das dunkle Mittelalter stand bereits ins Haus. Heute aber scheint Harvard Wissenschaftlern zufolge der Pessimismus der Gesellschaft der Vater des negativen Gedankens sein. Häufig spricht hier aber auch der Pessimismus und das Besserwissen einer ganzen Gesellschaft.

Aber lasse uns nicht zu weit vom Weg der Yoga Geschichte abkommen: Wir befinden uns in der Spätantike.

 

Tantra und die Wiege des Hatha Yoga

 

Um 450 nach Christus entwickelt sich Tantra. Wie die Yogis glauben auch die Tantriker daran, dass das Leben eine Manifestation einer höheren Realität ist:

Wir erfahren eine duale Welt mit gut und böse. Es ist jedoch nicht die einzige Wahrheit. 

Wir sehen eine duale Welt. Tatsächlich, so die Theorie, sind diese Gegensätze jedoch Ausdrucksformen von ein und dem selbem „alles-was-ist“.

Die alten yogischen Texte wurden von den Tantrikern oft so interpretiert, dass ein Leben in Askese angestrebt werden sollte, um „alles-was-ist“ zu erfahren und über die Grenzen der Dualität in die Welt des Absoluten hinauszublicken. Die Tantriker sahen auch einen anderen Weg, und schufen eine Lehre, welche die Wahrheit über die Sinne erfahrbar machen soll. 

 

Tantra, der Pfad der Achtsamkeit

 

Im Tantra haben sich zwei Strömungen entwickelt:

Der „Pfad der rechten Hand“ praktizierte mit läuternden Ritualen, strenger Disziplin und Hingabe. Der „Pfade der linken Hand“ schloss das leidenschaftliche Handeln mit ein.

Nach dem tantrischen Bild fließt die Lebensenergie (Prana) durch Energiebahnen (Nadis). Ida, Pingala und Sushumna sind drei Essentielle Nadis. Begriffe die auch im Yoga gängig sind, vor allem in esoterischeren Stilen wie Kundalini Yoga. Ida und Pingala sind zwei gegensätzliche Energien, die vereint werden wollen. Tun sie dies, steigen sie durch die zentrale Sushumna Energiebahn auf. Auf diesem Weg passieren sie sieben Zentren (Chakren), befreien diese von aufgestauten Blockaden und setzen ein unvorstellbares Potential frei.

 

Tantra bildet den Grundstein für fast alle Yoga Stile des 21. Jahrhunderts.

 

Auf diesen Ideen des tantrischen Pfades der rechten Hand beruht auch das Hatha Yoga, das auch die Grundlage für fast alle Yoga Stile des 21. Jahrhunderts bildet.

 

Hatha Yoga und die Großväter des Yoga

 

Um das 7. Jahrhundert nach Christus legten die Gelehrten Matsyendra und Goraksha die Wiege für Hatha Yoga. Zur selben Zeit haben sich Anführer des Oströmischen Reiches und der Perser (der größten Mächte der Spätantike) bereits über mehrere hundert Jahre die Köpfe eingeschlagen. Nach dem Motto „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte!“ rieben sich die Araber die Hände und feierten Eroberungszüge von Pakistan bis Portugal!

Unberührt davon gab Matsyendra über 2500 km weiter westlich die Lehren des Tantra an Goraksha weiter. Goraksha hat vermutlich seine Lehren genommen und wieder dem Yoga zugeführt. Körperhaltungen scheinen in dieser Zeit mehr an Bedeutung zu gewinnen, wenn auch lange nicht in dem selben Ausmaß der letzten 100 Jahre.

Goraksha bedeutet übersetzt Rinderhirte. Gorakshasana ist eine Yoga Haltung, die stark an die Haltung Mulabandhasana  erinnert. Diese ist auf dem ältesten überlieferten Fundstück des Yoga abgebildet.

Goraksha verfasste mehrere Werke, unter anderem die Gorakshashataka. In rund 200 Versen greift er den Weg des Patanjali. Ohne jedoch die zehn Lebensempfehlungen, wie wir sie heute lehren (und wie du sie hier nachlesen kannst), aufzugreifen.

Er spricht sehr praktisch über 32  Asanas, Reinigungstechniken, Mudras, Bandhas, Atemübungen sowie über die Anatomie des feinstofflichen Körpers mit den Chakren, Nadis und der Kundalini.

 

Der kleine Hatha Yoga Irrtum

 

In diesem Zusammenhang wird auch erstmals im Hatha Yoga über die Symbolik von Sonne und Mond bzw. die zwei gegensäztlichen Pole gesprochen. Auf diesen Überlieferungen beruht wahrscheinlich auch die Falschannahme vieler Yogis heute, Hatha würde übersetzt Sonne und Mond bedeuten. Dies stimmt höchstens im übertragenen Sinne.

 

Hatha bedeutet übersetzt Anstrengung und Hartnäckigkeit auf dem eigenen Weg. NICHT SONNE UND MOND!

 

Das bekannteste Hatha Yoga Werk, die Hathapradipika,  nutzt die Sonne-Mond-Symbolik ebenfalls ausgedehnt, um die gegensätzlichen Energien zu beschreiben. Der Autor Svatmarama verwendet die Himmelskörper als eine Analogie, vermutlich einer von vielen anderen möglichen; er spricht von dem Ausgleich der Sonnen- und Mond-Energie, der durch die Praxis des Yoga stattfindet.

 

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Im Vordergrund steht damit, dass der Yogi nich den Mut und die Muße verlieren soll, wenn der Weg auch einmal anstrengend wird. Wobei sich die Anstrengung vor allem in unsere Vermögen von Achtsamkeit und Sammlung bezieht (und nicht der Work-Life-Balance). Sonne und Mond befinden sich dann automatisch im richtigen Verhältnis.

In der richtigen Interpretation wird damit auch der Fokus für die Praxis des Hatha Yogis richtig gelegt. Nicht so sehr auf die Suche nach Balance sondern auf strebsame Mindfulness.

 

Zeitraffer

 

Wir haben uns bis jetzt durch 3000 Jahre Yoga Geschichte bewegt.

bewegt und sind noch immer erst im Mittelalter angekommen. Von den ersten Steintafeln, über blumige und vielschichtig deutbare Verse der Yoga Antike, bis hin zu konkreten Anleitungen des Hatha Yoga, das seine Wurzeln im yogischen Mittelalter trägt.

Wenn Patanjali der Urgroßvater des Yoga war, ist Goraksha der Großvater des modernen Yoga. Doch bis wir in der Geschichte beim Vater des modernen Yoga des 21. Jahrhunderts ankommen, sollen noch weitere 600 Jahre vergehen.

 

Hier geht’s zum sechsten Artikel der 10-teiligen Artikel Serie zur Yoga Geschichte und der Myth Busters Frage nach dem einzig wahren Yoga. 

 

 

Bis 11.02.2020 erscheint immer Dienstags ein Beitrag der zehnteiligen Myth Busters Artikel Serie zum Thema Yoga Geschichte und dem einzig wahren Yoga . Hier der Überblick:

 

Yoga Geschichte über das einzig wahre Yoga

Die Veden und das Reich der Yoga Mythen

Die Bhagavad Gita und deine ganz persönliche Schlacht

Urgroßvater Patanjali und die Wiege des Modernen Yoga

Tantra Yoga und die Wiege des Hatha

Alles Yoga nur geklaut? Multikulturelle Tradition oder kulturelle Aneignung

Vivekananda – Internationaler Yoga Speaker des späten 19. Jahrhunderts

Krishnamacharya: Der Vater des Modernen Yoga

Yoga Wirtschaft: Ein Geschäft mit der Wahrheit oder den Moneten